Wie wird man vegan?
Eigentlich habe ich mir fest vorgenommen für heute ein neues Rezept für euch online zu stellen. Doch dann hat sich eine innere Stimme gemeldet und mich an meinen „Unternehmenszweck“ erinnert. Als ich meinen Blog gestartet habe wollte ich einfach zeigen, wie lecker und simpel die vegane Küche im Alltag umsetzbar ist. Unter diesem Motto habe ich dann auch mein Ernährungsprogramm „Vegan 24/7“ erschaffen, um Menschen zu helfen diesen Ernährungsstil unkompliziert in ihr Leben zu integrieren. Damals war mir bewusst, dass Rezepte allein nicht ausreichen, um eine langfristige Veränderung herbeizuführen. Der Wandel muss vor allem im Kopf stattfinden. Also habe ich mein gesamtes Wissen, Tipps und Erfahrungswerte der letzten sechs Jahre in diesen Online-Kurs gepackt mit der Hoffnung, jeden Aspekt, den eine nachhaltige Ernährungsumstellung benötigt, abzubilden.
Nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass diese Herangehensweise genau richtig war, denn ich hätte mir damals bei meiner Umstellung eine derart informationsdichte Zusammenfassung jeglicher Dinge, die es zu wissen und beachten gibt, unheimlich gewünscht. Mir, und da spreche ich sicher für sehr viele Menschen, ist das „Vegansein“ unglaublich zur Last gefallen in den ersten Monaten oder besser gesagt, während der ersten Anläufe. Neben der Tatsache, dass ich die einzige Person in meinem sozialen Umfeld war, die sich dieser Ernährungsform angenähert hat, war ich schlichtweg überfordert jeden Tag aufs Neue zu überlegen welche Lebensmittel ich noch essen darf, welche Gerichte ich daraus zaubern kann, auf welche Faktoren ich achten muss, um eine Mangelernährung zu vermeiden und wo zum Teufel ich noch Essen gehen kann, ohne auf trockenen Salatblättern herum zu kauen 😀
Der Wandel kam schließlich, als ich irgendwann begriffen habe, dass mein Wille gefragt ist, um diesen Weg langfristig einzuschlagen. Wenn ich nicht zu 100% dahinterstehe, werde ich meines Lebens bzw. meiner Ernährung nicht mehr glücklich 😀 Und das ist bestimmt das Letzte, was die vegane Ernährung bringen soll. Denn ursprünglich bin ich ja auf den „Vegan-Zug“ aufgesprungen, um mein Leben bzw. meine Gesundheit zu verbessern. Mein Hoffnungsschimmer damals waren die mehreren hunderttausend Menschen (in Deutschland), die sich bereits pflanzenbasiert ernährten. Es musste also einen Weg geben, der sich nicht jeden Tag wie Verzicht anfühlte -_-
Der Schlüssel zum Erfolg war schließlich meine sich stetig steigernde Neugier, was sich hinter dem „Veganismus“ verbirgt. Weil ich aus gesundheitlichen Motiven überhaupt erst auf diese Ernährungsform gestoßen bin, hat es mir dieser Aspekt anfänglich besonders angetan (was sich übrigens bis heute durchzieht). Die ersten Bücher, die mir damals schicksalshaft in die Hände gefallen sind, waren für mich eine große Offenbarung. Ich kann schon gar nicht mehr zählen, wie viele Fachbücher, Blogartikel, Studien und Dokumentation ich seither verschlungen habe. Fakt ist, die tiefgründige Auseinandersetzung und Beleuchtung aller Facetten der veganen Ernährungsweise, haben einen drastischen Wandel in mir bewirkt. Aus einem äußeren Druck, mich aufgrund meiner gesundheitlichen Situation rein pflanzlich zu ernähren, wurde ein inneres Bedürfnis, wie eine Art Bestimmung, die sich von ganzem Herzen richtig anfühlte. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass ich gerade bei größeren Entscheidungen dazu neige, die Vor- und Nachteile in einem langwierigen Prozess gegeneinander abzuwägen, um am Ende noch verwirrter dazustehen, als zu Beginn 😀 In diesem speziellen „Ernährungs-Fall“ jedoch, bedurfte es keiner Gegenüberstellung von Pro und Contra. Meine Intuition oder mein Bauchgefühl hat mir eine so klare Botschaft gesendet, dass ich zu keiner Sekunde mehr daran zweifeln konnte, diesen Weg einzuschlagen.
Vielleicht ist es an dieser Stelle ganz passend, die Thematik „Ersatzreligion“ anzusprechen, die immer wieder im Zusammenhang mit Veganern in den Raum geworfen wird. Soweit ich das für mein Verständnis fassen kann, basiert Religion auf dem tiefen Glauben an eine oder mehrere Gottheiten oder eben eine Art der übersinnlichen Macht. Oft ist dieser Glaube verbunden mit einer z.B. in der Bibel oder anderen religiösen Büchern festgeschrieben Satzung bzw. Lehre, nach deren „Vorschriften“ man sein Handeln richten sollte oder kann. Im Fall Veganismus gibt es meines Wissens weder eine Gottheit noch eine Vegan-Bibel, die ihren Jüngern vorschreiben möchte, wie sie sich zu verhalten haben. In erster Linie handelt es sich ganz sachlich um eine Ernährungsform und im weiteren Sinne, zumindest bei einigen, um eine Lebenseinstellung oder eine Art, nach seinen persönlichen Werten zu leben.
Sich gezielt mit vitalisierenden Lebensmitteln zu versorgen und bewusst auf schadstoffreiche oder belastende Nahrungsmittel zu verzichten ist meines Erachtens ein logischer Schritt, um ein gesundes, ausgeglichenes Leben führen zu können. Es ist auch eine Form der Wertschätzung, für das, was uns die Natur zur Verfügung stellt und ein Statement dafür, was man als Individuum nicht verantworten möchte, wie ein unbewusster Umgang mit natürlichen Ressourcen, Umweltverschmutzung oder Tierquälerei. Es ist also absolut nichts, das von außen aufdiktiert wird, sondern etwas, das von innen heraus kommt und somit ein Teil von uns selbst zu sein scheint. Etwas, das wir für uns möchten, weil es uns gut tut und wir uns wohler damit fühlen, aber auch etwas, das wir jeder Zeit ändern können, wenn wir das möchten. Jedem ist frei gestellt, wie er sich ernähren oder leben möchte. Natürlich führt eine „ich-konforme Lebens- oder Ernährungsweise“ dazu, sich besser, gesünder, fitter und wohler zu fühlen und daraus Kraft zu schöpfen. Das ist übrigens in allen Lebensbereichen so. Wenn man Dinge tut, die seinem Naturell entsprechen fühlt man sich besser, weil man in diesen Momenten einfach man selbst ist.
In den meisten Fällen, die ich im Laufe der Jahre miterlebt habe, stehen Personen, die die vegane Ernährung pauschal als Mangelernährung, Luxusproblem, Modetrend etc. bezeichnen, meistens folgende Aspekte im Weg:
1. Sie sind zu sehr beeinflusst von der (Mainstream) Medienberichterstattung, deren Meinung zur pflanzlichen Ernährungsweise nach wie vor überwiegend negativ ausfällt. Zudem melden sich immer wieder in der Bevölkerung hoch angesehene Persönlichkeiten, wie Ärzte, Professoren oder Wissenschaftler zu Wort, die dem tierfreien Lebensstil nicht positiv gegenüberstehen, sondern sogar deutlich davor warnen.
2. Sie sind selbst (noch) nicht bereit, sich mit solchen, zugegebenermaßen emotionalen, weltverändernden Themen zu befassen, sodass jeder Veganer eine Art Spiegel ist, der ihnen die eigene „Ignoranz“ oder ihr „Versäumnis“ vor Augen führt. Denn ich bin aus eigener Erfahrung ziemlich sicher, dass dieses Thema in den meisten Köpfen irgendwo tief vergraben schlummert und Beachtung finden möchte. Umso stärker kämpfen viele Personen dagegen an, indem sie zum radikalen Verfechter ihrer Anti-Haltung werden, ohne sich auch nur ansatzweise mit der Thematik tiefergehend befasst zu haben. Im Grunde ist dieses Verhalten eine Schutzreaktion, sich nicht mit schwierigen oder sogar belastenden Themen konfrontieren zu müssen. Eine Mischung aus Bequemlichkeit und Verdrängung gleichermaßen, die leider nichts an der bitteren Realität ändern…
3. Sie haben leider noch keine eigenen Erfahrungswerte sammeln können. Ich glaube nichts hat so viel Überzeugungskraft, wie die Erfahrung am eigenen Leib zu spüren. Kein tierisches Nahrungsmittel dieser Welt kann so gut schmecken, wie es sich anfühlt mit sich mehr im Reinen zu sein, sein Essen mit allen Sinnen in vollen Zügen genießen zu können, ohne tief im Inneren einen Hauch des Widerstandes zu verspüren. Sich plötzlich lebendiger, fitter und leichter zu fühlen, ohne dabei hungern oder verzichten zu müssen und sich letztendlich in Harmonie mit seinen eigenen Werten zu fühlen, die es nicht zulassen, dass wir derart grausame, lebensverachtende Wege einschlagen, nur, um einer antrainierten Lusterfüllung nachzukommen. Es liegt nicht in der Natur des Menschen Brutalität, Gewalt und Zerstörungskraft zu verkörpern, wo wir doch gleichzeitig die Möglichkeit haben voller Hoffnung, Freude und Liebe zu sein.
Diese drei genannten Ursachen, sind zumeist für Veganer wiederum ein Anlass wütend zu werden auf die Medien, auf die Ignoranz der Menschen und auf angesehene Vertreter der Medizin und Wissenschaft. Schließlich ist man diesen weiten Weg gegangen, hat dafür viele Ressourcen aufgewandt und kann es daher nur schwer hinnehmen, dass es Menschen gibt, die nicht bereit sind ebenfalls diesen Einsatz zu bringen. So ging und geht es mir heute teilweise noch, zumindest dann, wenn ich mit respektlosen Aussagen oder Beschuldigungen konfrontiert werde. In diesem Moment muss ich mich zusammenreißen mich in Zurückhaltung zu üben und der Diskussion am besten aus dem Weg zu gehen. Gelassenheit ist hier das Stichwort, aber auch Verständnis dafür, dass sich jeder Mensch generell oder bezüglich bestimmter Lebensbereiche, auf einem anderen Bewusstseinsniveau befindet.
Man hört allzu häufig von sich vegan ernährenden Personen, dass jeder kleine Schritt in Richtung bewusster, tierleidfreier Ernährung wertvoll ist. Wie können wir also beurteilen oder verurteilen, an welchem Punkt eine Person gerade in ihrem Leben ist, der ihn oder sie erst noch darauf vorbereitet oder den Weg in Richtung Selbst- und Nächstenliebe ebnet. Manchmal ist es tatsächlich nur schwer zu ertragen, dass sich Menschen, vor allem, wenn sie uns nahe stehen, dieser Thematik völlig verschließen, obwohl dieser Lebensstil sehr viel Positives in deren Leben bewirken könnte. Ich hatte nicht nur einmal den Fall, dass eine kranke Person, deren schlechter Gesundheitszustand eindeutig einer ungesunden, tiereiweißlastigen Ernährungsweise geschuldet war, sich lieber auf die Einnahme starker Medikamente eingelassen hat, als wenigstens ein Stück weit an der Ernährung zu schrauben. Das tut weh und es löst auch in mir immer wieder Emotionen aus. Früher Wut oder Enttäuschung, heute eher Mitgefühl, weil ich weiß, dass die Person noch nicht verstanden hat Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen.
Nichtsdestotrotz, um wieder auf meinen „Unternehmenszweck“ zurückzukommen, habe ich die riesengroße Motivation in mir, all das, was ich weiß und was anderen Menschen helfen kann, auf eine positive, inspirierende und wertvolle Art und Weise weiterzugeben. Ich bin davon überzeugt, dass jeder einzelne Mensch es vermag, eine positive Kettenreaktion auszulösen – und das zu jedem Lebenszeitpunkt. Wenn ich rückblickend feststelle, wie viele Personen ich bereits dazu angeregt habe, ihren Lebens- und Ernährungsstil in eine gesündere Richtung zu verlagern und sich damit gesundheitlich besser zu fühlen, bin ich unglaublich dankbar und auch ein wenig Stolz. Es ist für mich tatsächlich eine Herzensangelegenheit mich immer weiter in diesen Themen zu schulen, um noch mehr Wissen, Erfahrungswerte und Tipps weitergeben zu können. Dass ich dies auch auf beruflicher Ebene umsetzen möchte, ist für mich schon beinahe selbstverständlich. Denn ich kann mir keinen sinnvolleren Beruf vorstellen, als mit meinem Know-how und mit meiner Empathie auf Menschen zuzugehen, die diese Hilfe brauchen oder in Anspruch nehmen möchten. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass jeder Mensch dieses Potenzial in sich trägt, seine Herzensangelegenheiten zu verfolgen und damit mehr Liebe in die Welt zu bringen.
Bereits die Tatsache, dass es mir so viel Kraft spendet, mich mit diesen Themen auseinanderzusetzen macht mein Leben lebenswerter und dies wirkt sich wiederum auf alle anderen Lebensbereiche und somit auch direkt auf meine sozialen Beziehungen aus, sei es in der Familie, Freundschaft, Partnerschaft oder im Beruf. Wieder ein Grund mehr, der mich bestärkt den Dingen Aufmerksamkeit zu schenken, die mich positiv beeinflussen und die mir helfen so sein zu können, wie ich bin.
An diesem Punkt möchte ich zukünftig auf meinem Blog verstärkt ansetzen. Natürlich bleibe ich nach wie vor eine leidenschaftliche Pflanzenköchin und notiere weiterhin fleißig vegane Alltagsrezepte. Gleichzeitig möchte ich gerne mehr Einblicke in meine Gedankenwelt gewähren, einfach weil ich denke, dass ich damit an einem wichtigen Punkt ansetze. Einem Punkt, der dem Leser verständlich macht, wieso es essenziell wichtig ist, sich mit sich selbst und seiner Umwelt auseinanderzusetzen. Der aufzeigt, dass es viele verschiedene Wege gibt, um Ziele zu erreichen. Der ein gutes Gefühl vermitteln kann, weil auch andere ähnliche Gedanken haben. Natürlich erhoffe ich mir auch, dass meine Worte etwas anstoßen oder bewirken können, nicht weil sie die Wahrheit sprechen, sondern weil sie die Person dazu anregen, selbst aktiv zu werden und Verantwortung für ihre Themen zu übernehmen. Genau das ist es, was mir die Ernährungsumstellung, neben meiner Gesundheit, vor allem gebracht hat – die Erkenntnis, dass ich und nur ich, Verantwortung für mein Leben trage. Und zwar gleichermaßen für die Dinge, die ich bewusst mache, als auch für Entscheidungen oder Handlungen, die ich unbewusst treffe oder, die jemand anderes für mich ausführt. Mit dieser (neuen) Ausrichtung treffe ich vielleicht eher den Nerv, der Menschen dazu bewegt, etwas zu verändern oder überhaupt den Anreiz zu haben, etwas verändern zu wollen. Denn vegane Rezepte werden meistens von Menschen gesucht, die bereits den Weg des Umdenkens gegangen sind.
Ich möchte auch die Menschen erreichen, die noch am Anfang stehen, die einfach nur interessiert sind oder etwas an ihrer Ernährung oder ihrem Lebensstil verändern möchten. Ein Umdenken muss stattfinden und im besten Fall entsteht daraus eine intrinsiche Motivation, die von innen antreibt. Ich wünsche mir so sehr, dass noch ganze viele Menschen dieselben positiven Erfahrungen machen können, wie ich sie erleben durfte. Sobald man sich freiwillige und bewusst für eine Sache entscheidet, fällt jeglicher Druck ab und man kann den Prozess einfach nur genießen 🙂
In diesem Sinne wünsche ich jedem, der diese Zeilen bis zum Schluss verfolgt hat ein wunderbares Wochenende und die Stärke, sich seinen inneren Themen anzunehmen <3