Verantwortung (vor)leben
Heute möchte ich ein Thema ansprechen, das mich in den letzten Monaten sehr häufig beschäftigt hat. Es geht um Verantwortung. Gerade bei einer Ernährungsumstellung bzw. wenn es um die eigene Gesundheit geht, kommt man um dieses Thema nicht drumherum. Eine für mich entscheidende Erkenntnis während der Umstellung zur pflanzenbasierten Ernährung war zu lernen selbstverantwortlich zu handeln. Das bedeutet selbst aktiv zu werden, mich zu informieren, ins Handeln zu kommen, Entscheidungen für mich zu treffen etc. Genau aus diesem Grund habe ich auch mein Ernährungsprogramm Vegan 24/7 so aufgebaut, dass es dem Nutzer bestmöglich „dienlich“ ist, um ihn selbst zu ermächtigen. Ich gebe Hilfe zur Selbsthilfe in Form von komprimiertem Wissen, Denkanstößen, persönlichen Tipps und Erfahrungswerten. Auf diese solide Basis kann die Person anschließend eigenverantwortlich aufbauen, nach ihren eigenen Regeln und im eigenem Tempo.
Wahrscheinlich würde mir an dieser Stelle jeder zustimmen, dass es wichtig ist ab einem bestimmten Lebensalter Verantwortung für sein Dasein auf dieser Erde zu übernehmen, schon allein aus Mangel an Alternativen. Wenn du es nicht tust, wer denn dann?! Klingt komplett logisch und doch bin ich mir nicht sicher, ob wir Menschen dieses Konzept der Eigenverantwortung richtig verstanden haben und ob wir dieses mit der nötigen Konsequenz umsetzen. Mich beschleicht nicht selten das Gefühl, dass wir uns regelrecht vor der Verantwortung drücken – bewusst und unbewusst. Damit meine ich nicht nur die Jungstars unter uns, sondern gerade auch die Erwachsenen, jenseits der 30. Also genau die Generation, die ihren Kindern immerzu predigt selbstverantwortlich zu agieren. Klar im „worst case“ sind es ja auch die Eltern, die später haften. Umso verwunderlicher, dass man gerade bei den älteren Generationen immer wieder große Versäumnisse erkennen kann, wenn es um das Thema Verantwortung geht.
Jeder sagt es, doch wer handelt wirklich eigenverantwortlich? Mit Verantwortung meinen wir im Grunde „die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass (innerhalb eines bestimmten Rahmens) alles einen möglichst guten Verlauf nimmt, das jeweils Notwendige und Richtige getan wird und möglichst kein Schaden entsteht.“ Wir sprechen also von einer Verpflichtung, die genau drei Prämissen beinhaltet, nämlich:
- den möglichst guten Verlauf unseres Handelns
- das Notwendige und Richtige zu tun
- möglichst keinen Schaden zu verursachen
Wenn wir mit diesen drei Prämissen im Hinterkopf auf unser eigenes Leben blicken, müssen wir uns dann nicht ehrlicherweise eingestehen, dass wir unsere Verantwortung in manchen Lebensbereichen schlicht unterschätzt haben? Oder, dass bei uns das Thema Verantwortung eine völlig andere Assoziation hervorruft. Mir fällt auf, dass Verantwortung sehr häufig in Verbindung mit materiellen Wertgegenständen steht. Zum Beispiel den verantwortlichen Umgang mit Geld, mit Autos, mit Möbeln, mit Technik, mit Spielzeug, mit Lebensmitteln usw. Der Satz „übernimm Verantwortung für dich selbst, für dein Leben“ fällt eher selten. Was ist Selbstverantwortung? Laut Wikipedia ist die Eigen- oder Selbstverantwortung „die Bereitschaft und die Pflicht, für das eigene Handeln und Unterlassen Verantwortung zu übernehmen.“ Darunter fällt die Verantwortung für dein komplettes Leben, für dein Handeln und Unterlassen, genauso wie für deine Emotionen, deine Gedanken, deine Gesundheit, deine Fitness, dein physisches sowie psychisches Wohlergehen, deine Träume, deine Sehnsüchte, dein Hobby, deine Leidenschaft, deine Liebe, deine Beziehungen, dein Glück… Der Unterschied zur materiellen Ebene ist, dass Verantwortung für unser Innenleben häufig mit einem höheren Ressourcenaufwand verbunden ist. Mehr Energie, mehr Schmerz, mehr Selbstkritik und Selbstreflexion.
Das heißt, wir als Einzelperson stehen in der alleinigen Verantwortung für all diese Teilbereiche unseres Lebens! Nichts und Niemand kann uns die Verantwortung abnehmen. Trotzdem ist dies keine schwere Bürde, die wir zu tragen haben, im Gegenteil – indem wir Verantwortung übernehmen und zwar unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Prämissen, ermächtigen wir uns als aktiver Gestalter unseres Lebens.
Wir übernehmen sozusagen das Steuerrad und entscheiden somit, in welche Richtung wir unser Leben lenken möchten, ganz bewusst. Aber wieso tun wir es viel zu selten?
- Weil wir nicht die (negativen) Konsequenzen unseres Handelns tragen möchten
- Weil wir von kleinauf gelernt haben, Verantwortung abzugeben
Die einen sprechen von Arbeitsteilung, ich sehe es als ein Phänomen der Verantwortungsabgabe, als einen Ausdruck der Unmündigkeit. Unser Leben ist voll von unmündigen Entscheidungen. Es ist schon irgendwie paradox zu erkennen, dass wir so essenzielle Dinge, wie unsere Gesundheit, Erziehung, Bildung, Finanzen oder Beziehungen aus der Hand geben. Um was wir uns kümmern ist vor allem unser Job, darauf werden wir auch gut vorbereitet. Doch was ist mit den anderen Dingen? Wie können wir überhaupt Arbeiter sein, ohne uns gleichzeitig um das Menschsein zu kümmern? Wenn wir krank sind, gehen wir zum Arzt. Unsere Finanzen überlassen wir dem Steuerberater. Die Erziehung und Bildung unserer Kinder übernehmen staatliche Einrichtungen und Tagesmütter/Väter. Sogar unser Beziehungsglück legen wir oft in die Hände unseres Partners.
Das Irrsinnige dabei ist, dass wir genannten Parteien (Ärzten, Steuerberatern, Erziehern, Partnern etc.) eine Last aufbürden, die diese nicht zu tragen haben. Denn für unser Leben sind nicht sie, sondern wir selbst verantwortlich. Andererseits erkennen viele Menschen nicht den Unterschied zwischen Hilfe und Selbsthilfe. Viele denken einen Arzt, Steuerberater oder Experten auszusuchen bedeutet bereits Verantwortung zu übernehmen. Doch das ist ein Trugschluss. Man kann diese Menschen als Helfer betrachten, jedoch nicht als Verantwortliche. Wenn ich gesund sein will, muss ich wissen, was mein Körper, Geist und Seele benötigen, um wieder im Einklang zu sein. Diese Aufgabe kann kein Arzt/Heilpraktiker/Heiler dieser Welt übernehmen. Wenn ich eine glückliche und liebevolle Beziehung anstrebe, ist doch die Voraussetzung, dass ich selbst ein glücklicher und liebevoller Mensch bin, unabhängig von meinem Partner.
Klar, wenn es mal nicht läuft sind immer die anderen Schuld. Doch wie kann eine andere Person, die uns nicht einmal halb so gut kennt, wie wir es tun, Entscheidungen für uns treffen, die für uns persönlich einen möglichst guten Verlauf nehmen, die darauf abzielen entsprechend das Notwendige und Richtige zu tun und die keinen Schaden verursachen? Jeder der genannten Parteien handelt in erster Linie nach eigenen Interessen oder den Richtlinien anderer Instanzen bzw. Interessenvertretern. Das heißt wir können nie zu 100% erfassen, worauf sich die Entscheidung anderer stützt.
Es gibt beispielsweise Studien, die belegen, dass die Empfehlung eines Arztes für eine Therapieform anders ausfällt in Abhängigkeit davon, ob er/sie die Empfehlung als Arzt oder als Privatperson ausspricht. Das soll keine Wertung gegenüber Ärzten sein, sondern verdeutlichen, dass wir ein viel höheres Risiko tragen auf die Schnauze zu fallen, wenn wir uns zu sehr auf die Meinungen, Entscheidungen oder Empfehlungen anderer verlassen. Zusätzlich sind wir viel eher bereit auch mal Niederschläge oder Versäumnisse in Kauf zu nehmen, wenn wir selbst dafür verantwortlich sind.
Hätte ich damals nur auf die Meinung meiner Ärzte gehört, wäre ich wahrscheinlich bereits seit sieben Jahren auf die tägliche Einnahme schwerer Medikamente angewiesen. An deren Nebenwirkungen für meine körperliche und mentale Gesundheit möchte ich erst gar nicht denken. Die Verweigerung, mich selbst um meine Lebensthemen zu kümmern, hätte mein Leben in komplett andere Bahnen gelenkt, zum Nachteil meiner Gesundheit, davon bin ich überzeugt. Und alles was mir bleiben würde wäre die Opferrolle. Meine Gesundheit und meine Lebensqualität sind ruiniert, weil Ärzte nicht die richtige Entscheidung für mich getroffen haben. In diesem Gedanke könnte ich mich dann suhlen, an meiner Situation würde das jedoch rein gar nichts ändern. Besserung tritt erst dann ein, wenn DU es bist, der die Dinge in die Hand nimmt. Der beginnt sich selbst ernst zu nehmen. Dem klar wird, dass es okay ist, sich erst um sich selbst zu kümmern und das nicht nur von außen, sondern vor allem von innen. Dein Inneres ist der „Ort“, an dem nur du selbst bist und deshalb kein anderer einen vergleichbaren Einblick hat.
Verantwortung ist eine Chance für jeden von uns, sich zu dem zu entwickeln, wer wir wirklich sind. Sich selbst zu erkennen und entsprechend zu agieren. Authentisches Handeln erzeugt positive Gefühle des Stolzes, des Glückes, der Freude, der Liebe, der Wertschätzung oder der Dankbarkeit. Entsprechend ist die Wirkung authentischer Personen auf ihr Umfeld…
Was hat mich dazu veranlasst meine Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen? Eine tiefe Ohnmacht resultierend aus der Unfähigkeit zu wissen, was für mich das Richtige ist und was mir gut tut. Daran sind in erster Linie nicht die Ärzte Schuld, sondern ich selbst. Denn was viele vergessen ist dieser Punkt: Indem wir Verantwortung abgeben, begeben wir uns in eine Abhängigkeit, die je nach Sachverhalt unser Leben minimal oder maximal tangieren kann. Mein Augenmerk liegt definitiv auf letzterer Kategorie.
Natürlich ist es in Ordnung Dinge im Leben abzugeben. Es gibt Experten, die es besser können, die mehr Spaß an der Sache haben usw. Aus ökonomischen, heuristischen und lebensqualitativen Gesichtspunkten ist es einfach nur sinnvoll Experten mit ins Boot zu holen, die dich mit einer stylischen Frisur, leckerem Essen, einer funktionalen Wohnküche, einem sicheren Auto oder hochwertigen Lebensmitteln versorgen. Diese Menschen nehmen dir sozusagen eine Last ab, sodass du Zeit hast dich selbst um wirklich wichtige Themen zu kümmern. Umso mehr bekümmert es mich, dass wir unseren Fokus zunehmend auf die Oberfläche richten, anstatt auf den inneren Kern. Was wir im Kopf haben sind Arbeit, Geld, Status, Konsum, Aussehen etc. Was darunter leidet sind Gesundheit, Liebe und Selbstwert.
Doch es mangelt nicht nur an unserer Selbstverantwortung, sondern auch an dem Anspruch, dass auch andere Verantwortung zu übernehmen haben. Gerade Menschen, die mit ihrem Handeln, ihren Produkten oder Dienstleistungen das Leben anderer Menschen beeinflussen und somit eine noch größere Verantwortung tragen. Wieso ist es nicht der Anspruch einer Gesellschaft, dass Köche nicht nur leckeres, sondern gleichzeitig auch gesundes Essen kochen sollten? Dass Kosmetik-, Textil- oder Lebensmittelhersteller nicht nur Aussehen und Funktionalität im Sinn haben, sondern auch die Qualität sowie die ethische Vertretung des Herstellungsprozesses? Und es liegt wiederum an mir als Verbraucher Wert darauf zu legen, dass das, was ich täglich (in mich hinein) konsumiere nicht nur schön aussieht, gut schmeckt oder riecht, sondern meiner körperlichen und geistigen Verfassung gut tut.
Der Preis für diesen Anspruch wird vermutlich etwas höher sein, aber ist nichts im Vergleich zu dem Preis, den wir zahlen müssen, wenn wir den Qualitäts-/Gesundheitsfaktor aus den Augen lassen. Die Auswirkungen finden wir dann sowohl auf der individuellen, als auch auf der kollektiven Ebene. Denn nicht nur unser Wohlergehen leidet unter einer fehlenden Verantwortungsübernahme, sondern auch das unserer Umwelt, unseres Planeten. Hier schließt sich der Kreis. Letztendlich sitzen wir alle im selben Boot. Mein Handeln, mein Unterlassen, das Handeln und Unterlassen anderer Parteien belangen uns alle, die wir auf dieser Erde leben. Bei sich anzufangen und Selbstverantwortung zu übernehmen ist meiner Meinung nach essenziell für eine nachhaltige Veränderung.
Verantwortung leben und vorleben kann jeder, der möchte <3