Neujahrserkenntnisse unterm leuchtenden Himmel
Was für ein Jahresabschluss. Im Vergleich zu den vorherigen Jahren war mein Silvester beinahe besinnlich. Ich habe mich bewusst nicht unter die Clubgänger gemischt und habe auch an keinem Raclette-Essen mit Freunden teilgenommen. Mein Vorhaben in diesem Jahr war es, die Party mit etwas Abstand zu betrachten, sozusagen aus der Ferne zu genießen und doch ein Teil davon zu sein. So habe ich den Abend zuhause, im engsten Kreis verbracht und dabei mehr erlebt, als ich in diesem Rahmen erwartet hätte.
Vielleicht ist es der bekannte Klassiker, dass uns weniger Erwartungen zu mehr Überraschung führen, der in dieser Nacht eingetreten ist. Vielleicht war es einfach die Wahrnehmung, die sich fernab von Alkoholrausch und einer tanzenden Meute mehr auf die Dinge konzentrieren konnte, die ganz im Stillen ablaufen.
Meine Erkenntnis: Gegen den Strom zu schwimmen kann anstrengend aber auch sehr erhellend sein. Dabei geht es primär nicht darum, sich von der Masse in seinem Tun abzugrenzen, sondern sich nicht einfach von der Menge mitreißen zu lassen – gedankenlos und verloren. Vielmehr geht es darum seinen eigenen Weg zu gehen – reflektiert und verantwortungsbewusst.
Ich trinke normalerweise keinen Alkohol. Mein Körper reagiert schlecht darauf. Geschmacklich überzeugt mich das Nervengift auch nicht sonderlich, also lasse ich das lieber sein. Auch an Silverster? Naja so ganz hat es nicht geklappt, zum Anstoßen wurde doch eine Sektflasche geköpft und leider wurde der Inhalt mehr umverteilt, als ausgetrunken 😀
Der Abend startete mit einem gemütlichen Spaziergang, der Himmel war in ein sattes Abendrot getaucht. Die Straßen waren ungewöhnlich still, die Temperatur angenehm mild. Es lag eine Ruhe in der Luft, vielleicht die Ruhe vor dem Sturm, der in der Nacht über die Stadt hereinbrechen sollte. Doch noch war er still und ich konnte die Bewegung an der frischen Luft genießen. Dabei über die Schönheit des Moments sinnieren. Mich überkam eine überwältigende Dankbarkeit. Dafür, dass ich sein durfte, dass ich diesem Abend und all die Abende zuvor in meinem Leben erleben durfte. Dass ich den Weg entlanggehen konnte und die beeindruckenden Farben am Horizont bewundern durfte. Dass ich nicht alleine war und dass ich Hoffnung hatte. Für mich, für die Zukunft, für die Welt. Ein schönes Gefühl.
Konzentriert ging es danach weiter bei einer langwierigen Schachpartie, ganz gemütlich, still und bedacht. Jeder Zug zählt. Ein Spiel, bei dem nur derjenige als Sieger hervorgehen kann, der scheinbar alle Optionen rational durchdacht und dabei die Fehler seines Kontrahenten eingeplant hat. Doch selbst bei diesem Spiel kommt manchmal alles anders, als man es sich eben noch ausgemalt hatte. Ärgerlich auf der einen Seite aber irgendwie beruhigend auf der anderen Seite. Es lädt ein zum Offen sein, für alles was kommt und beweist auf eine eindrucksvolle Art und Weise, dass man das Spiel, das Leben nicht durchdenken kann. Es ist ein Weg mit vielen Abzweigungen und noch mehr Möglichkeiten. Auf dem Schachbrett entpuppt sich so manche Sackgasse, als neuer Wegweiser in eine andere Richtung. Die Partie endete mit einem „Remis“ – unentschieden, das heißt, alles bleibt (weiterhin) offen.
Denksport wird gerne unterschätzt, das merkte ich spätestens dann, als sich mein Magen beinahe im Minutentakt mit einem lauten Grummeln meldete. Der gemütliche Teil des Abends wird also im Esszimmer fortgeführt. Es wurde „geschnibbelt“, angebraten und im Handumdrehen sah ich mich vor zahlreichen Schüsseln und Tellern wieder, die zum gemeinsamen Taco-Essen einluden. Jeder stellt sich sein individuelles Essen auf seinem Teller zusammen und bedient sich dabei der großen Auswahl an Gemüse, Salsa, Guacamole, Bohnen – ein herrlich einfaches aber vorzügliches Gericht, bei dem man sich leicht überfressen kann. Das habe ich dann auch getan und deshalb wurde sich im Wohnzimmer bei einer Folge meiner Lieblingsserie ausgeruht.
Wir feiern das Ende eines Jahres und gleichzeitig den Beginn eines neuen Zeitabschnittes. Auch wenn wir diesen, ähnlich wie beim Schach, nicht wirklich durchdenken können und dies vielleicht auch gar nicht möchten, liegt uns viel daran gewisse Pläne zu schmieden, Ziele zu haben. Doch bedenken sollten wir, dass unsere Ziele nur die Richtung auf unserer Reise markieren und daher eine untergeordnete Rolle spielen. Sie könne sich ändern und sind überdies lediglich punktuelle Ereignisse in unserem Leben, also nichts im Vergleich zur Wegstrecke dorthin. Diese hingegen wollen wir füllen mit Freude, Leidenschaft, Freiheit, Weiterentwicklung und Liebe. Indem wir die Art und Weise festlegen, wie wir unseren Weg beschreiten möchten, rücken externe Einflussfaktoren mehr in den Hintergrund. Wir haben die Zügel selbst in der Hand. Sich seiner Wertvorstellungen bewusst zu werden, kann ein guter Start ins neue Jahr sein.
10, 9, 8, 7, … Da ist er schon, der Countdown. Dieses Mal leise aber nachdrücklich. Darauf hat die Welt gewartet, die letzten Stunden darauf hingefiebert. Ein Moment, in dem die Menschheit gefühlsmäßig ein Stück zusammenrückt. Wir alle teilen ein gemeinsames Ziel, das neue Jahr einläuten und verleihen dem Ausdruck, indem wir Raketen zünden, die wir hoch in den Himmel schießen.
Da stehe ich nun, hoch oben am Fenster und blicke auf ein Meer von bunten Raketen. Die Stadt, ein einzig großes Feuerwerk. Noch nie habe ich diesen Moment so bewusst wahrgenommen, noch nie war ich so ergriffen von einem Feuerwerk. Mich berührt die Tatsache, dass wir so viele sind. Dass wir im Grunde alle dasselbe möchten – gemeinsam in eine schöne Zeit starten, voller Hoffnung und Vorfreude.
Noch mehr bewegt hat mich aber zu sehen, dass wir gemeinsam Großes bewirken können. Auf dem Boden hat jeder an diesem Abend seine eigene Mission: Eine kleine Rakete zu zünden. Von oben jedoch kann ich sehen, dass jede einzelne Rakete Teil eines riesen Feuerwerks ist. Ein Feuerwerk zu dem man sich selbst und auch in der Gemeinschaft nicht im Stande gesehen hätte. Trotzdem ist es Wirklichkeit geworden, nur weil jeder einen kleinen, seinen Beitrag dazu geleistet hat. Weil jeder ein Stück Freude und Hoffnung zum Ausdruck bringen wollte.
Und in diesem Moment wurde mir klar, dass wir uns viel öfter in die Höhe begeben und alles aus der Entfernung, mit etwas mehr Abstand, betrachten sollten. Denn dann sehen wir das Potenzial, das in uns steckt. Dann sehen wir, was wir gemeinsam und jeder einzeln für sich erreichen können. Ein gigantisches Feuerwerk, das die Stadt erhellt und meine Gedanken in dieser Nacht sehr bereichert hat. Danke für diese, erste Erkenntnis im neuen Jahr 2018 <3